Läuten
Glocken werden hierzulande meist schwingend geläutet, d. h., die Glocke wird beweglich an einer Achse aufgehängt und der in ihr hängende Klöppel schlägt die schwingende Glocke an.
Glocke und Klöppel bilden also ein Doppelpendel.
Glocken werden in speziellen, immer individuell angefertigten Gerüsten, den sog. Glockenstühlen aufgehängt.
Traditionell sind diese aus Holz, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts nimmt man aber auch Stahl. Stahlstühle haben aber
längst nicht so gute akustische und statische Eigenschaften wie solche aus Holz. Angesichts des meist sehr hohen Gewichtes
von Glocken und der Kräfte, die beim Läuten wirken (es wirkt ein Mehrfaches des Glockengewichts an Fliehkraft!), sind
Glockenstühle, die das Gewicht optimal auf die Turmmauern verteilen, sehr wichtig.
Die Glocke schließt oben mit einer sog. Krone ab, an der sie dann an das sog. Joch gehängt wird,
das wiederum im Glockenstuhl hängt.
Joche können, wie die Glockenstühle, zu denen sie gehören, aus Holz oder Stahl gefertigt werden.
Darüber hinaus gibt es zwei Konstruktionsformen: gerade
und gekröpfte Joche.
Gekröpfte Joche haben den Vorteil, dass sich die Glocken mit ihnen Platz sparender läuten lassen.
Auf den Klang der Glocke haben sie aber nachteilige Wirkung, weil die Glocken nicht geschwungen, sondern
um ihren Mittelpunkt gekippt werden. Bei dieser Läuteform spricht man auch vom Läuten mit geworfenem
Klöppel im Gegensatz zum Läuten mit fliegendem Klöppel bei geraden Jochen.
Das führt zu kurzen, nervös wirkenden Läutezyklen, bei denen sich das Klangbild der Glocke nicht
voll entfalten kann, da der Klöppel relativ lange auf der Glockenwandung "liegen" bleibt und dadurch die
Schwingungen dämpft.
Der Klang einer Stahlglocke lässt sich durch die Verwendung eines geraden Holzjoches und eines Holzglockenstuhls
merklich veredeln, genauso lässt sich aber auch der Klang einer sehr hochwertigen Bronzeglocke mit einem gekröpften Stahljoch ruinieren.
Der Glockenklöppel, normalerweise aus relativ weichem Eisen geschmiedet, besteht aus vier Teilen:
Blatt, Schaft, Ballen und Schwungzapfen. Auch hier sind optimale Dimensionierung und Proportionierung sehr wichtig. Für jede Glocke bedarf es eines eigens angefertigten Klöppels. Ist er zu leicht, ist die Glocke zu leise und entwickelt ihr Obertonspektrum nicht richtig, ist er zu schwer, klingt die Glocke unschön und kann schlimmstenfalls erheblich Schaden nehmen. Ist der Klöppel zu kurz, kann die Glocke ebenfalls Schaden nehmen.
Der Klöppel muss mit der Mitte des Ballens genau auf den Schlagring, die stärkste Stelle der Glocke, treffen und sich sofort wieder lösen, um die
entgegengesetzte Stelle der Glocke in exakt dem Augenblick zu treffen, in dem sie den maximalen Ausschwung erreicht hat.
Insbesondere Ballen und Schwungzapfen müssen optimal auf die jeweilige Glocke abgestimmt sein. Der Ballen muss eine optimale Form (es ist eine Wissenschaft für sich, ob man einen kugelförmigen oder einen ellipsoiden Ballen wählt und wie stark man ihn dimensioniert), der Schwungzapfen eine optimale Länge und Stärke haben. Ist er zu kurz, sind unregelmäßige Läutezyklen der Fall; ist er zu lang, kann der Klöppel die Glocke durch sein Gewicht zerschlagen.
Gewicht und Proportionen des Klöppels errechnen sich aus einem bestimmten Verhältnis zum Gewicht und der Abmessung der Glocke (Ein Klöppel sollte
Idealerweise 4% des Glockengesamtgewichtes wiegen).
In anderen Kulturkreisen werden Glocken aber auch völlig anders zum Klingen gebracht. Im Einzugsgebiet der orthodoxen Kirchen beispielsweise werden Glocken meist starr in offenen Glockenstühlen aufgehängt. Geläutet werden sie, indem man die Klöppel mithilfe von Seilen gegen die Glocke schwingt. Häufig läutet man akkordisch, schlägt also mehrere Glocken gleichzeitig an. Bei dieser Läutepraxis ist ein direkter Einfluß auf den Läuterhythmus möglich.
In England wird zwar, ähnlich wie in Deutschland, mit schwingenden Glocken geläutet, allerding nach einem sehr komplexen (mathematischen) Prinzip, dem "change ringing": Die kreisförmig angeordneten und pendelnd aufgehängten Glocken werden von einer Läutemannschaft (je eine Person pro Glocke) nach einem exakt berechneten Plan zum Schwingen gebracht, wobei die Glocke jeweils nur einmal angeschlagen wird um dann kopfüber in einem labilen Gleichgewicht
zu verharren, bis sie erneut einmal geläutet wird. Es darf immer nur eine Glocke gleichzeitig klingen.
Bei 8 Glocken ergeben sich bei dieser Praxis schon 40 000 verschiedene Abläufe! Die Kirchen einer
Stadt wetteifer(te)n oft miteinander und das ausgefallenste und virtuoseste Geläute.
Mangels fähiger Freiwilliger (denn beim "change ringing" müssen die Glocken immer per Hand
geläutet werden) hat sich in neuerer Zeit vielerorts die (aus englischen Filmen mit Heiratsszenen)
leidlich bekannte von oben nach unten perlende Tonleiter etabliert.
Recht eindrucksvolle Demonstrationen dieser Läuteform sind
hier und hier (besonders eindrucksvoll: der "fliegende Wechsel zwischen den einzelnen Motiven) zu sehen.
Bei dieser Läuteform ist übrigens auch erlaubt, was sonst strikt verboten ist:
das sich Überschlagen einer Glocke. Eine detaillierte Darstellung des Wechselläutens gibt der deutsche Wikipedia-Artikel
Uhrschlag-Glocken
Ich sagte eingangs, dass hierzulande Glocken zumeist schwingend geläutet werden. Neben dem eigentlichen Läuten werden Glocken aber
auch noch als Tonsignal für die Turmuhren benutzt. Dabei muss die Anzahl der Schläge selbverständlich genau abgezählt sein.
Das ist aber bei einer geläuteten Glocke schlichtweg unmöglich, denn beim Läuten braucht die Glocke Zeit zum Ein- und Ausschwingen
und läßt sich vor allem nicht abrupt stoppen. Deshalb werden bei Glocken, die auch für den Uhrschlag genutzt werden, am Glockenstuhl
Hämmer angebracht, die vom Uhrwerk ausgelöst werden und die Glocke von aussen anschlagen
(auch die Hämmer müssen natürlich individuell angefertigt sein).
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