DIE WINDLADEN
Um die zahlreichen Pfeifen und Register einer Orgel einzeln und in verschiedenen Kombinationen ansteuern
zu können, bedarf es der sog. Windladen. Auf ihnen stehen die Pfeifen geordnet nach Registern und nach Tasten,
wodurch sich ein Koordinatensystem ergibt: x-Achse = Töne (Tasten), y-Achse = Register.
In der Frühzeit des Orgelbaues gab es lediglich die Möglichkeit, die Pfeifen getrennt nach Tonhöhe,
nicht jedoch getrennt nach Pfeifenreihen einzeln zu spielen. Alle Pfeifen, die einer Taste zugeordnet waren, erklangen
also zwangsläufig gleichzeitig. Bei dieser Form der Windlade spricht man vom Blockwerk.
Windladen werden grundsätzlich aus Holz (vorzugsweise aus lange abgelagertem Hartholz)
hergestellt. Nur der Orgelbauer Kleuker aus Brackwede (b. Bielefeld) hat in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts den Versuch unternommen, pflegeleichte, "tropenfeste" Windladen aus Kunststoff
herzustellen. Einige seiner Orgeln haben diese Pertinax-Windladen bis heute, ihre Zweckmäßigkeit
ist zweifelhaft, in der Pflege und Aufarbeitung sind sie aufwändiger als herkömmliche
Windladen aus Holz.
Schleiflade
Im Laufe des späten Mittelalters wurde als Weiterentwicklung des Blockwerks die sog. Schleiflade entwickelt, das
Windladensystem, das sich (mit Unterbrechungen) bis heute durchgesetzt hat. Die Schleiflade
beinhaltet ein doppeltes Sperrsystem, denn jeder Ton und jedes Register sind einzeln ansteuerbar.
Eine Pfeife erhält also nur dann Wind und kann klingen, wenn sowohl ein Register eingeschaltet
als auch ein Tonventil geöffnet ist.
Der Orgelwind wird zunächst aus dem Balg in die Windkammer geleitet und nimmt
von dort durch ein
geöffnetes Spielventil seinen Weg in eine Tonkanzelle (das ist je Ton und
Taste je ein separater Teil der Windlade). Die über den Tonkanzellen stehenden Pfeifen erhalten
aber erst dann den Wind,
wenn mindestens eine der quer zu den Kanzellen (und damit auch quer zu der Pfeifenreihe
eines Registers)
liegenden Schleifen (dünne Bretter für jeweils ein Register mit je einer Bohrung
für
jeden Ton) so eingestellt ist, dass ihre Bohrungen über denen der Kanzellenoberseite
liegen. Über den Schleifen liegen die Pfeifenstöcke, auf denen die Pfeifen zu
stehen
kommen.
Springlade
Eine andere Form der Tonkanzellen-Lade (bei der alle Pfeifen, die zu einer Taste gehören, auf
einer Kanzelle stehen) ist die Springlade. Sie wurde mehr oder weniger parallel zur Schleiflade entwickelt und war im
16. bis 18. Jahrhundert recht üblich, galt sogar als die edlere und luxuriösere Windladenform. Bei ihr werden die Tonventile registerweise
geöffnet oder geschlossen (Registerventile). Dies geschieht durch kleine Metallstifte, die
sog. Stecher, die an einer Holzleiste befestigt sind und beim Einschalten des Registers
durch diese Leiste nach unten gedrückt werden. Anders als bei der Schleiflade muss der
betreffende Registerzug im Spieltisch arretiert (meist eingehakt) werden, damit die Feder unter
dem Registerventil die Stecher nicht wieder nach oben drückt ("zurückspringt").
Kegellade
Neben den Tonkanzellen-Laden gibt es auch Registerkanzellen-Laden, bei denen nicht alle
Töne einer Taste, sondern alle Töne eines Registers auf einer Kanzelle stehen. Hier verlaufen
also die Kanzellen nicht wie bei der Schleiflade quer zur Pfeifenaufstellung, sondern längs zu ihr.
Ton- und Registerkanzellen-Laden haben unterschiedliche akustische Eigenschaften, wobei die der
Tonkanzellen-Lade (große Verschmelzungs-fähigkeit der einzelnen Register, keine Beeinflussung der
einzelnen Pfeifen eines Registers untereinander) heutzutage als die besseren gelten. (Diese Darstellung
ist extrem vereinfacht. Bei manchen akustischen Eigenschaften sind Registerkanzellen-Laden
deutlich vorteilhafter, weswegen sie auch entwickelt wurden. Sehr holzschnittartig gesagt eignen
sich Tonkanzellen-Laden besser für polyphone (also barocke und vorbarocke) Musik, Registerkanzellen-Laden besser für homophone (also romantische) Musik.)
Die Kegellade ist unter den Registerkanzellen-Laden die häufigste Form.
Ihren Namen hat sie von der Gestalt ihrer Ventile, den sog. Kegeln. Anders als bei der
Schleiflade, bei der auf jede Taste ein Ventil kommt und die Auswahl der Register separat über
die Schleifen geregelt wird, erfüllen die Kegelventile
hier beide Aufgaben gleichzeitig. Das heißt, pro Pfeife bedarf es eines Ventils.
Wird eine Taste niedergedrückt, werden alle Ventile des betreffenden Tones geöffnet. Damit aber
nicht stets alle Register erklingen, müssen die Kanzellen der Register, die gespielt werden
sollen, zuerst "freigeschaltet" werden, also an die Luftzufuhr per Registerzug angeschlossen
werden.
Neben der Kegellade, die um 1750 entstand, im 19. Jahrhundert die Schleiflade fast völlig verdrängte
und bis ins 20. Jahrhundert hinein populär war, entstanden auch andere Registerkanzellen-Ladentypen,
die sich aber durchweg als weniger zuverlässig, technisch kompliziert und wartungsaufwändig
herausstellten und sich daher nicht durchsetzen konnten. Stichwortartig seien hier Kastenlade
und Taschenlade genannt.